Systemische Aufstellungen – ah, diese Eso-Rollenspiele?
„Fleisch“ – das einzige Wort in meinem Kopf und unerträglich steife Kälte in meinem Körper. Ich sehe überall Frauenkörper, ich nenne sie Fleisch und darf sie besitzen, benutzen – das steht mir zu…
Ich bin Anfang 30, es ist mein drittes oder viertes Mal als Stellvertreterin in einer Familienaufstellung. Catarina Skirecki, die Leiterin der offenen Gruppe, die sich jede Woche im Berliner Osten trifft, hat mir die Position eines Großvaters zugewiesen. Der Großvater der Frau, die heute Hilfe sucht. Wie sich im Laufe der Aufstellung zeigt, hat dieser Mann zu Zeiten Nazi-Deutschlands sehr viel Gewalt erfahren und selber ausgeübt. Abgestumpft, traumatisiert und hilflos hat er vergewaltigt, gemordet und eine Machtposition eingenommen, die noch Generationen später im Familiensystem wirkt. Und, wie sich in unserer Arbeit herausstellt, die aktuellen Beziehungen der Enkelin, die ihren Großvater verehrte, maßgeblich prägt.
Ich werde dieses Gefühl der Abgestumpftheit und Kälte an der Stellvertreterposition niemals vergessen – ich, als Romy, hätte mich in diesem Moment wahrscheinlich übergeben, hätte geweint, geschrien… Stattdessen ließ ich all das Grauen durch meinen Körper fließen, als wäre ich selbst der Großvater, im Krieg vor über 80 Jahren, im Krieg mit mir, den Frauen, dem Leben… Im Moment, als ich die Rolle verließ, war innerhalb von Sekunden alles vorbei. Ich wieder ich. Und doch nie mehr die selbe.
Es war der Moment, in dem ich verinnerlichen konnte, dass systemische Aufstellungen keine Rollenspiele oder Treffen schauspielwütiger Esoteriker sind. Ich begann, das Phänomen der „repräsentativen Wahrnehmung“ zu erforschen und meine eigenen belastenden Themen in Aufstellungen zu klären. Ich studierte Bert Hellinger, einen der Urväter der Methode, las Rupert Sheldrakes Abhandlungen zu morphischen Feldern und wie diese als inhärentes Gedächtnis über Raum und Zeit Informationen übertragen. Ich nahm an Business-Aufstellungen, 7-Generationen-Aufstellungen, und schamanischen Aufstellungen teil… und erlernte bei meiner Mentorin Helga Parkin, die in den 1980er Jahren eng mit Bert Hellinger zusammenarbeitete, die Grundlagen der Methode.
Wirkweise und Wirksamkeit systemischer Aufstellungen können bis heute nicht in Gänze erklärt oder belegt werden. In meiner Gruppenarbeit erlebe ich immer wieder, wie über die Wahrnehmung des Feldes Muster offengelegt und geheilt werden. Ich folge meiner Intuition und agiere als Impulsgeberin. Meist kennen sich die Teilnehmer*innen nicht und ich erlebe, wie sich innerhalb kurzer Zeit ein perfekt orchestriertes Zusammenspiel zeigt, Menschen niemals zufällig eine bestimmte Rolle einnehmen und die gesamte Gruppe von den Prozessen profitiert. Wir erfahren, wie sehr unsere Zellen und Nervensysteme verbunden sind… mit dem Schicksal unserer Ahnen, unserer Nationen, unserer Lebensumgebung.
Für mich sind systemische Aufstellungen ein kraftvolles Werkzeug, um Verstrickungen, Dynamiken, sprich Störungen im Fluss des Lebens zu erkennen und nachhaltig in Balance zu bringen. Selbst auf Personen, die nicht physisch anwesend sind, wirkt die Arbeit im Feld. Meine Klient*innen berichten, dass sich mehr Gelassenheit, Akzeptanz und Frieden einstellt.